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Hallo alle zusammen,
auch wenn die Frage schon relativ alt ist (acht Monate) und nicht sicher, ob der Fragesteller mathe44 das noch liest, versuche ich die Frage mal ausführlich zu beantworten. Schließlich kann das auch für andere von Nutzen sein. Das Forum ist ja öffentlich.
Kommen wir also zu Wittgestein und seinen Wahrheitstafeln. Wie baust Du so etwas auf? Zunächst schaust Du, wieviele Satzbuchstaben Du hast. In diesem Fall sind das zwei. Deshalb kannst Du vier Fälle unterscheiden. Du schreibst:
\(
\begin{array}{|c|c|c|c|c|c|c|c|c|}\hline
A&B&\:(A&\vee&B)&\wedge&B&\rightarrow&A
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{w}& & & & & & &
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{f}& & & & & & &
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{w}& & & & & & &
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{f}& & & & & & &
\\\hline
\end{array}
\)
Die beiden Spalten ganz links dienen nur der Kontrolle der Fälle. Nun schreibst Du unter alle Spalten des eigentlichen Terms, die Satzbuchstaben oder negierte Satzbuchstaben im Kopf stehen haben, deren Wahrheitswerte. Jetzt sieht die Tabelle so aus:
\(
\begin{array}{|c|c|c|c|c|c|c|c|c|}\hline
A&B&\:(A&\vee&B)&\wedge&B&\rightarrow&A
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{w}&\mathrm{w}& &\mathrm{w}& &\mathrm{w}& &\mathrm{w}
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{f}&\mathrm{w}& &\mathrm{f}& &\mathrm{f}& &\mathrm{w}
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{w}&\mathrm{f}& &\mathrm{w}& &\mathrm{w}& &\mathrm{f}
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{f}&\mathrm{f}& &\mathrm{f}& &\mathrm{f}& &\mathrm{f}
\\\hline
\end{array}
\)
So. Jetzt kümmerst Du Dich um die Diskunktion in der Klammer. Das ist wie beim Rechnen: Klammern immer zuerst! Die Wahrheitswerte für die Disjunktion schreibst Du unter den ODER-Junktor. Das sieht dann so aus:
\(
\begin{array}{|c|c|c|c|c|c|c|c|c|}\hline
A&B&\:(A&\vee&B)&\wedge&B&\rightarrow&A
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{w}&\mathrm{w}&w&\mathrm{w}& &\mathrm{w}& &\mathrm{w}
\\\hline
\mathrm{w}&\mathrm{f}&\mathrm{w}&w&\mathrm{f}& &\mathrm{f}& &\mathrm{w}
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{w}&\mathrm{f}&w&\mathrm{w}& &\mathrm{w}& &\mathrm{f}
\\\hline
\mathrm{f}&\mathrm{f}&\mathrm{f}&f&\mathrm{f}& &\mathrm{f}& &\mathrm{f}
\\\hline
\end{array}
\)
Die Disjunktion ist konjunktiv mit B verknüpft (UND-Verknüpfung). Die Wahrheitswerte für die Disjunktion vergleichst Du konjunktiv mit den Wahrheitswerten von B und schreibst das Erbebnis unter den UND-Junktor:
\(
\begin{array}{|c|c|c|c|c|c|c|c|c|}
\hline A & B & \:(A & \vee & B) & \wedge & B & \rightarrow & A\\
\hline
\mathrm{w} & \mathrm{w} & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & & \mathrm{w}\\
\hline
\mathrm{w} & \mathrm{f} & \mathrm{w} & w & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & & \mathrm{w}\\
\hline
\mathrm{f} & \mathrm{w} & \mathrm{f} & w & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & & \mathrm{f}\\
\hline
\mathrm{f} & \mathrm{f} & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & & \mathrm{f}\\
\hline
\end{array}
\)
Jetzt hast Du die Wahrheitswerte für den gesamten Vordersatz der Implikation. Im Hintersatz steht nur A. Du vergleichst jetzt also nach den Regeln einer Implikation die Wahrheitswerte des Vordersatzes mit A und kommst zu diesem Ergebnis:
\(
\begin{array}{|c|c|c|c|c|c|c|c|c|}
\hline A & B & \:(A & \vee & B) & \wedge & B & \rightarrow & A\\
\hline
\mathrm{w} & \mathrm{w} & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & \mathbf{w} & \mathrm{w}\\
\hline
\mathrm{w} & \mathrm{f} & \mathrm{w} & w & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & \mathbf{w} & \mathrm{w}\\
\hline
\mathrm{f} & \mathrm{w} & \mathrm{f} & w & \mathrm{w} & w & \mathrm{w} & \mathbf{f} & \mathrm{f}\\
\hline
\mathrm{f} & \mathrm{f} & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & f & \mathrm{f} & \mathbf{w} & \mathrm{f}\\
\hline
\end{array}
\)
Jetzt bist Du fertig und kannst unter dem WENN-DANN-Junktor ablsen, welche Wahrhitswerte der gesamte Term hat.
Viele Grüße
jake2042
Als Bonus stelle ich hier noch eine Alternative zu den Wahrheitstafeln für die Wahrheitswertanalyse vor. Die Wahrheitstafeln haben folgende Eigenschaften:
Der letzte Punkt kann als Vorteil aber auch als Nachteil betrachtet werden. Es gibt eine Alternative dazu, die von Quine stammt. Sie wird in Quine 1988:45–56 vorgestellt. Quine benutzt eine andere Notation. Ich werde hier die üblichen Schreibweisen verwenden.
Das Prinzip ist eigentlich, die Satzbuchsaben in einem aussagelogischen Term sukzessive durch ihre Wahrheitswerte zu ersetzen. Dabei kommt es zu Fallunterscheidungen. Um das Vorgehen zu demonstrieren, vereinfache ich den vom Fragesteller geposteten Term. In der Wahrheitstafel ist zu sehen, dass der gesamte Vordersatz (\(\left(A\vee B\right)\wedge B\)) von den Wahrheitswerten her identisch mit B ist. Wenn B für den Vordersatz eingesetzt wird, ergibt sich:
$$B\rightarrow A\tag{1}$$
Nun wird eine Fallunterscheidung durchgeführt, indem für B die Wahrheitswerte w und f eingesetzt werden. Das sieht dann so aus:
\begin{array}{cccccc}
& & & B\rightarrow A\\
& \textrm{w}\rightarrow A & & & & \textrm{f}\rightarrow A\\
& & & & & \textrm{w}\\
\end{array}
Bei B/f ist klar, dass der ganze Term wahr sein muss, weil Implikationen mit falschem Verdersatz immer wahr sind, unabhängig vom Wahrheitswert des Hintersatzes. Deshalb vereinfachen wir den Term auf w und sind auf dieser Seite bereits fertig.
Bei B/w hängt der Wahrheitswert des Terms von A ab deshalb machen wir hier wieder eine Fallunterscheidung und schreiben unter jeden der beiden Fälle den Wahrheitswert des Terms. Das sieht dann insgesamt so aus:
\begin{array}{cccccc}
& & & B\rightarrow A\\
& \textrm{w}\rightarrow A & & & & \textrm{f}\rightarrow A\\
\textrm{w}\rightarrow\textrm{w} & & \textrm{w}\rightarrow\textrm{f} & & & \textrm{w}\\
\textrm{w} & & \textrm{f}
\end{array}
Fazit
Bei dieser Form der Wahrheitswertanalyse werden nicht erst alle Fälle aufgeschrieben und dann ermittelt, welche Wahrheitswerte sie haben. Stattdessen werden schrittweise die einzelnen Satzbuchstaben durch ihre Wahrheitswerte ersetzt, was zu Fallunterscheidungen und am Ende zu einer baumähnlichen Struktur führt. Durch das schrittweise Vorgehen können unter Umständen Fälle zusammengefasst werden, wenn sie zu demselben Wahrheitswert führen. Deshalb müssen hier nicht immer alle Fälle durchgegangen werden. In Fällen, in denen das sicher so ist (zum Beispiel bei Implikatioenen) und bei relativ übersichtlichen Termen kann es vorteilhaft sein, diese Form der Wahrheitswertanalyse zu verwenden.
Viele Grüße
jake2042
Literatur
Quine, Willard Van Orman, (6)1988: Grundzüge der Logik. (= stw 65) Frankfurt am Main: Suhrkamp
Es gibt aber auch Aussagen die immer wahr sind (sogenannte Tautologien) ─ wirkungsquantum 28.10.2018 um 17:21