Hallo Sophy,
ich glaube, durch den Hinweis von andré dalwigk auf die Catalan-Zahlen habe ich das Problem gelöst. Wie ich bereits in den Kommentaren gesagt habe, berechnest Du eine Wahrscheinlichkeit, indem Du die Anzahl aller günstigen Möglichkeiten zur Anzahl aller Möglichkeiten ins Verhältnis setzt:
$$P=\frac{\textrm{Anzahl der günstigen Möglichkeiten}}{\textrm{Anzahl aller Möglichkeiten}} \tag{1}$$
A. Der Nenner
Die Anzahl aller Möglichkeiten, also das, was in den Nenner kommt, kannst Du mit dem Multinomialkoeffizienten für zwei Gruppen berechnen. Wenn \(n\) die Anzahl aller Personen in der Schlange, \(n_{1}\) die Anzahl der Personen mit 10-Euroscheinen und \(n_{2}\) die Anzahl der Personen mit 20-Euroscheinen ist, dann gilt:
$$\textrm{Anzahl aller Möglichkeiten}=\frac{n!}{n_{1}!\cdot n_{2}!} \tag{2}$$
Diese Formel findest Du zum Beispiel in Clauß/Ebner 1968:206. Zum Multinomialkoeffizienten ganz allgemein findest Du einiges im Internet. Zum Beispiel das hier:
https://youtu.be/jwhiIwXmytY
und das hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Multinomialkoeffizient
Da \(n_{1}+n_{2}=n\) ist, gilt auch \(n-n_{1}=n_{2}\). Wenn Du \(n_{1}=k\) setzt, dann kannst Du die Anzahl aller Möglichkeiten auch über den Binomialkoeffizienten berechnen (vgl. Bortz 2005:61, Clauß/Ebner 1968:125, Sahner 1982:84):
$$\binom{n}{k}=\frac{n!}{(n-k)!-k!} \tag{3}$$
B. Der Zähler
In den Zähler kommt die Anzahl der günstigen Möglichkeiten. In unserem Fall sind das alle Fälle, in denen der Kartenverkauf ohne Stockungen verläuft. Dazu habe ich zwei Bedingungen formuliert, denen die Reihenfolge, in denen die Personen in der Schlange stehen, genügen muss, damit keine Stockungen entstehen:
- Bedingung B1: Die erste Person in der Schlange muss eine mit einem 10-Euroschein sein.
- Bedingung B2: Es dürfen maximal immer nur so viele Personen mit einem 20-Euroschein direkt aufeinanderfolgen, wie direkt davor Personen mit einem 10-Euroschein direkt aufeinanderfolgen.
Auf Bedingung B1 bist Du ja schon selbst gekommen. Diese Bedingung halbiert bereits die Anzahl aller Fälle. Der Grund dafür ist einfach, dass es für die erste Person in der Schlange nur zwei gleichwahrscheinliche Möglichkeiten gibt, nämlich die, dass sie einen 10-Euroschein hat und die, dass sie einen 20-Euroschein hat.
Bedingung B2 wird nur geprüft, wenn Bedingung B1 erfüllt ist. Beispiele für Bedingung B2 bei sechs Personen in der Schlange und Erfüllung von Bedingung B1:
a = Personen mit 10-Euroschein
b = Personen mit 20-Euroschein
aabbab \(\rightarrow\) funktioniert!
aabbba \(\rightarrow\) funktioniert nicht!
An dieser Stelle ist der Hinweis von andré dalwigk auf die Catalan-Zahlen wirklich gut. Diese Zahlen werden, wie andré dalwigk ja bereits geschrieben hat, unter anderem dazu benutzt, die Anzahl verschiedener Klammerungen bei Rechenaufgaben mit mehr als zwei einzelnen Variablen oder Konstanten zu ermitteln. Im Prinzip handelt es sich um dasselbe Problem: Zu jeder schließenden Klammer muss es vorher eine öffnende Klammer geben. Die Catalan-Zahlen liefern das Ergebnis der Prüfung der Bedingungen B1 und B2 gleichzeitig. Catalan-Zahlen sind folgendermaßen definiert [1]:
$$C_{n}=\frac{1}{n+1}\binom{2n}{n}=\frac{(2n)!}{(n+1)!\cdot n!} \tag{4}$$
Dabei wäre \(2n\) die Anzahl der Peronen in der Schlange. Wenn ich diese Anzahl gleich \(n\), die Anzahl der Personen mit 10-Euroschein gleich \(n_{1}\) und die Anzahl der Personen mit 20-Euroschein gleich \(n_{2}\) setze, dann lässt sich Formel (4) auch so schreiben:
$$\textrm{Anzahl der günstigen Möglichkeiten}=\frac{n!}{(n_{1}+1)!\cdot n_{2}!} \tag{5}$$
Mit 4 Personen in der Schlange und mit 6 Personen in der Schlange habe ich das jeweils durchgespielt:
Beispiel 1: Vier Personen in der Schlange
$$\textrm{Anzahl aller Möglichkeiten}=\frac{4!}{2!\cdot 2!}=\frac{24}{4}=6 \tag{6}$$
$$\textrm{Anzahl der günstigen Möglichkeiten}=\frac{4!}{3!\cdot 2!}=\frac{24}{12}=2 \tag{7}$$
Bei vier Personen in der Schlange beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese in einer Reihenfolge stehen, die dazu führt, dass der Kartenverkauf ohne Stockungen verläuft, \(\frac{2}{6}\), geküzt \(\frac{1}{3}\). Überprüfung:
a = Personen mit 10-Euroschein
b = Personen mit 20-Euroschein
\(
\begin{array}{|c|c|c|}\hline
\textrm{Permutation}&\textrm{B1}&\textrm{B2}
\\\hline
\textrm{aabb}&1&1
\\\hline
\textrm{abab}&1&1
\\\hline
\textrm{abba}&1&0
\\\hline
\textrm{baab}&0&
\\\hline
\textrm{baba}&0&
\\\hline
\textrm{bbaa}&0&
\\\hline
\end{array}
\)
Beispiel 2: Sechs Personen in der Schlange
$$\textrm{Anzahl aller Möglichkeiten}=\frac{6!}{3!\cdot 3!}=\frac{720}{36}=20 \tag{8}$$
$$\textrm{Anzahl der günstigen Möglichkeiten}=\frac{6!}{4!\cdot 3!}=\frac{720}{144}=5 \tag{7}$$
Bei sechs Personen in der Schlange beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese in einer Reihenfolge stehen, die dazu führt, dass der Kartenverkauf ohne Stockungen verläuft, \(\frac{5}{20}\), geküzt \(\frac{1}{5}\). Überprüfung:
a = Personen mit 10-Euroschein
b = Personen mit 20-Euroschein
\(
\begin{array}{|c|c|c|}\hline
\textrm{Permutation}&\textrm{B1}&\textrm{B2}
\\\hline
\textrm{aaabbb}&1&1
\\\hline
\textrm{aababb}&1&1
\\\hline
\textrm{aabbab}&1&1
\\\hline
\textrm{aabbba}&1&0
\\\hline
\textrm{abaabb}&1&1
\\\hline
\textrm{ababab}&1&1
\\\hline
\textrm{ababba}&1&0
\\\hline
\textrm{abbaab}&1&0
\\\hline
\textrm{abbaba}&1&0
\\\hline
\textrm{abbbaa}&1&0
\\\hline
\textrm{bbbaaa}&0&
\\\hline
\textrm{bbabaa}&0&
\\\hline
\textrm{bbaaba}&0&
\\\hline
\textrm{bbaaab}&0&
\\\hline
\textrm{babbaa}&0&
\\\hline
\textrm{bababa}&0&
\\\hline
\textrm{babaab}&0&
\\\hline
\textrm{baabba}&0&
\\\hline
\textrm{baabab}&0&
\\\hline
\textrm{baaabb}&0&
\\\hline
\end{array}
\)
Wie Du sehen kannst, führt es in beiden Fällen zum richtigen Ergebnis, wenn Du jeweils die Catalan-Zahl bestimmst. Das ist zwar kein Beweis, aber ich denke, es handelt sich um die richtige Lösung. Ohne den Hinweis von andré dalwigk wäre ich allerdings nicht darauf gekommen.
Viele Grüße
jake2042
[1]
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Catalan-Zahl
Literatur
Bortz, Jürgen, (6)2005: Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer
Clauß, Günter und Heinz Ebner, 1968: Grundlagen der Statistik für Psychologen, Pädagogen und Soziologen. Berlin (DDR): Volk und Wissen
Sahner, Heinz, (2)1982: Statistik für Soziologen 2. Schließende Statistik. (= Teubner Studienskripten 23, Studienskripten zur Soziologie) Stuttgart: Teubner
Sonstiger Berufsstatus, Punkte: 1.22K
Bei dem Beispiel mit sechs Personen muss die Formel zur Berechnung der günstigen Möglichkeiten natürlich die Formelnummer (9) und nicht (7) tragen.
Außerdem ist \(\frac{5}{20}\) gekürzt natürlich \(\frac{1}{4}\) und nicht \(\frac{1}{5}\).
Grüße
jake2042
─ jake2042 23.07.2019 um 21:56
um die gefragte Wahrscheinlichkeit zu berechnen, musst Du alle Fälle, in denen der Kartenverkauf ohne Stockungen verläuft zu allen möglichen Fällen ins Verhältnis setzen. Bei der Bestimmung des zweiten Werts, das heißt der Anzahl aller möglichen Fälle, kann ich Dir weiterhelfen.
Wenn Du die Anzahl aller Personen, die vor der Kasse stehen, mit \(n\), die Anzahl der Personen mit 10-Euroscheinen mit \(n_{1}\) und die Anzahl der Personen mit 20-Euroscheinen mit \(n_{2} \) bezeichnest, dann kannst Du die Anzahl aller (gleichwahrscheinlichen) Möglichkeiten, wie die Personen an der Kasse anstehen können, so berechnenn:
$$\frac{n!}{n_{1}! \cdot n_{2}!} \tag{1}$$
Formel (1) habe ich in der Beschreibung des Mann-Whitney-U-Tests in einem Statistik-Lehrbuch gefunden (Clauß/Ebner 1968:206). Die ganze Aufgabenstellung hat mich an diesen Test erinnert. Allerdings ist die Fragestellung beim U-Test doch wieder so anders, dass sich das nicht eins zu eins übertragen lässt. Vielleicht finde ich ja noch mehr heraus. Dann melde ich mich wieder.
Viele Grüße
jake2042
Literatur
Clauß, Günter und Heinz Ebner, 1968: Grundlagen der Statistik für Psychologen, Pädagogen und Soziologen. Berlin (DDR): Volk und Wissen ─ jake2042 22.07.2019 um 06:20