Ok bevor du jetzt weitermachst, mit einer Sache die du noch nicht ganz zu verstehen scheinst: Hier mal die Herangehensweise, die man aus der Schule kennen sollte (ohne totales Differenzial). Ich musste sowas (zufälligerweise genau für diese Aufgabe) im Abitur in Physik machen...
Gegeben ist: `T(l,g)=2pi*sqrt(l/g)` (Ideales Pendel)
l=1,0m und g=10m/s^2 --> Damit bestimmt sich T rechnerisch zu: `T(1.0m,10m/s^2)=1.98692...s` ; man hat jedoch nicht wirklich so genau l und g messen/bestimmen können, also ist dieser Wert unsicher...
Jetzt will man wissen, wo die tatsächliche Periodenlänge liegen könnte (wenn man die Messabweichungen als Extremum annimmt, also tatsächlich der "Worst-Case" eintritt).
Wie kann also T maximal bzw. minimal lang werden:
Offensichtlich wird T maximal, wenn der Bruch `l/g` maximal wird, das ist der Fall, wenn l maximal und g minimal ist! Also l maximal (1+0.1)m und g minimal (10-0.25)m/s^2.
Damit ergibt sich T maximal zu T=2.11044...s
Offensichtlich wird T minimal, wenn `l/g` minimal ist, was der Fall ist, wenn l minimal und g maximal ist! Also l minimal (1-0.1)m und g maximal (10+0.25)m/s^2.
Damit ergibt sich T minimal zu T=1.86183...s
Nochmal zur Erinnerung, wir geben T mit ca. 1.99s an. Die Abweichung zum Maximum sind +0.1235s und zum Minimum -0.1251s. das ist jetzt der absolute Fehler. In Prozent sind das ca. 6.2% bzw. 6.3% maximaler Fehler. Das dies jedoch tatsächlich so "falsch" ist, ist recht unwahrscheinlich!
Weil diese Überlegungen bei komplizierten Formeln, aber (für den faulen Endanwender) zu anstrengend sind, möchte man jetzt einen anderen (näherungsweisen) Weg bestreiten.
Ein manchmal auch noch in der Schule verwendeter Weg ist, zunächst die prozentualen Fehler zu bestimmen hier für die Länge 10% (da 0.1m von 1m) und für die Gewichtskraft 2.5% (da 0.25m/s^2 von 10m/s^2). Diese addiert man nun (da eine Punktrechnung vorliegt) und erhält 12.5% Fehler. Da aber mit einer Wurzel gerechnet wird, muss korrigiert werden über Fehler=`sqrt(1.125)`= ca. 1.061. Der maximale Fehler sind also etwa 6% (was auch gerade von uns gefunden wurde).
Der jetzt für dich neue Weg (totales Differenzial), überlegt sich, dass die Abweichungen um den Messwert nun eigentlich klein sind und hier unterschieden werden können. Zunächst ist dies der Fehler der durch den "Längefehler" zustande kommt (also Delta l=0.1m) und ebenso der "Gewichtskraftfehler" (Delta g=0.25m/s^2). Diese beiden Fehler müssen später aufaddiert werden. Ich bleibe bei den Basics:
Versuche dazu dieses Video zu verstehen:
https://www.youtube.com/watch?v=HWJwLBhdw_o
Das ist erstmal das totale Differenzial (ohne Gauß, keine Sorge, das macht ihr eh im Studium (fast) sicher nochmal alles). Nun kannst du dir die Funktion für die Periodendauer als dreidimensionale Funktion vorstellen, l ist die x-Koordinate, g die y-Koordinate und, T die z-Koordinate. (Lass dich von meiner Funktion nicht abschrecken, sie sorgt nur dafür, dass die Funktion nur für x-Werte zwischen 0.9 und 1.1 sowie y-Werte von 9.75 bis 10.25 betrachtet wird.)
Eigentlich ist die Fläche etwa ein Rechteck, die Ecken wurden leider in der Darstellung abgeschnitten.
Wie du hoffentlich siehst, handelt es sich fast um eine Ebene. Der Punkt A ist die Periodendauer für l=1m und g=10m/s^2. Das totale Differential kann jetzt bildlich als Steigung der Tangentialebene in x- und y-Richtung an der Punkt A verstanden werden (wie die Tangente an eine "normale" Funktion). Bewegst du dich also von A weg (auf der Tangentialebene, die in guter Näherung die dargestllte Funktion wiedergibt) weicht dein neuer z-Wert (also die Periodendauer) um Delta z = Delta x (Längenfehler) * Steigung in x-Richtung + Delta y (g-Fehler) * Steigung in y-Richtung vom z-Wert von A ab. Die Maximalen Fehler sind nun (wie du hoffentlich siehst) in zwei der vier Ecken zu finden (das ist auch immer so, denke ich!)
Die Steigung in x-Richtung und y-Richtung hast du durch deine Ableitungen bereits bestimmt (für g=10 und l=1 in Punkt a): ist sie in x-Richtung `pi*sqrt(10)/10` also ca. 9.9346 und in y-Richtung `-pi*sqrt(10)/100` also ca. -0.0993. Jetzt setzt du "die Ecken" ein in (`T_{F}` - das klein F bedeutet hier Fehler):
`T_{F}=pi*sqrt(10)/10*l_{F}+(-pi*sqrt(10)/100)*g_{F}` (An Minus * Minus = Plus denken)
`T_{F}=pi*sqrt(10)/10*(0.1)+(-pi*sqrt(10)/100)*(-0.25)=pi*sqrt(10)/80=0.124182...`
Die Einheit ist selbstverständlich wieder Sekunden
Zur Erinnerung: Vorhin hatten wir gefunden - maximaler Fehler: +0.1235s oder -0.1251s (hier der Mittelwert: 0.1243s)
Jetzt haben wir: maximaler Fehler 0.1242s - was sehr gut an dieses Ergebnis herankommt.
Wie du siehts, ist das totale Differenzial also eine sehr gute Näherung.
So, das war jetzt auch eine gute Wiederholung für mich...
Zuletzt noch ein Kommentar: Die Gaußsche Fehlerfortpflanzung ist noch etwas leichter zu handhaben, weil nun durch die Quadrierung nicht mehr auf die Vorzeichen geachtet werden muss: Es ist also egal in welche der vier Ecken man geht (man kann auch die zwei "falschen" nehmen und erhält das richtige Ergebnis).
Zudem ist sie in der Praxis (soweit ich weiß) etwas realistischer, da sie Abweichungen "gewichtet".
Dabei musst du (Vorzeichen jetzt egal, also hätte sich dein Fehler bei den Ableitungen hier auch gar nicht ausgewirkt!) berechnen:
`sqrt((pi*sqrt(10)/10*0.1)^2+(pi*sqrt(10)/100*0.25)^2)=0.1024` Die Einheit ist wieder Sekunden. Wenn man will, kann auch hiermit eine realtiver Fehler bestimmt werden.
Ich hoffe ich konnte dir damit erstaml gut weiterhelfen, sodass du zumindest die Grundlagen verstehst...
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also erstmal vielen vielen Dank. Da hast du mich jetzt ein ganzes Stück voran gebracht. Und vor allem auch danke für deine Zeit, so ausführlich zu antworten, muss ja ewig gedauert haben!
Ich setzte mich heute Abend und morgen nochmal dran und versuche die Aufgabe zu lösen, gebe dann Bescheid ob alles geklappt hat.
Nochmals danke dir!
Liebe Grüße Leon ─ leon 11.09.2019 um 17:32