Ich glaube nicht, dass es möglich ist, das so hinzubekommen, dass man es wirklich versteht. Denn man muss sich einige Zeit mit Mathematik auseinandersetzen, damit man schätzen lernt, dass es diese Schreibweisen so und nicht anders gibt.
Das ist so ähnlich wie:
1) warum muss ich Hausaufgaben machen? Versteht man erst dann, wenn man merkt, dass diese Übung und Beschäftigung mit dem Thema tatsächlich etwas bringt.
2) Warum hat Newton nicht gleich mit der Relativitätstheorie angefangen?
3) Wenn es um die deutsche Sprache geht: Wie werden die Worte eigentlich zusammengesetzt? Man beginnt ja das Lernen seiner Muttersprache nicht damit, dass man versteht, was ein Lexem ist. (Falls Du das Wort Lexem noch nie gehört hast, dann verdeutlicht das mein Argument... Du kannst Deine Muttersprache auch ohne das Wort).
Also: Vieles ist "Learning by doing".
Noch eine Andekdote: Wenn ich in der Schule in der 7. Klasse den Schülern beibringe, wie man Gleichungen löst, gibt das immer eine Diskussion darüber, ob man die Äquivalenzpfeile $\Longleftrightarrow$ hinschreibt oder nicht. Ich habe das neulich in einer 5. Klasse gemacht (also gaaaanz einfache Gleichungen gelöst, indem ich die grauen Kästchen durch $x$ ersetzt habe). Dazu habe ich die ordentliche Schreibweise eingeführt. Da sind die noch in einem Alter, in dem das als Regel für die Schreibweise akzeptiert wird. Die Erklärung warum und so, die habe ich dem Kollegen überlassen, der die Klasse später übernommen hat...
Selbst zu Beginn des Studiums wird man in den Grundlagen-Vorlesungen mit Schreibweisen, Definitionen, Sätzen und so weiter überschüttet. Ist es gut, dass alles von gaaanz klein aufgebaut und zusammengesetzt wird?
Es gab an meiner Uni bei den Physikern einen Prof für Höhere Mathematik - die Physiker müssen sich am Anfang des Studiums in kurzer Zeit viel mehr Mathematik "anwendungsreif" draufschaffen als die Mathematiker. Während also der Mathe-Prof (sinnbildlich gesprochen) definiert hat: "Das ist ein Blatt, das ist ein Zweig, das ist ein Ast, das ist ein Stamm, das ist ein Baum" etc, ist der Physik-Prof mit einem in den Wald gegangen und hat mit den Studenten über die Eichhörnchen gestaunt.
Also: Mathematik ist vor auch etwas zum Erleben und genießen, für manche sogar eine Erholung. Wenn man die Regeln drauf hat, dann kann man überleben und die vorhandenen Elemente für nützliche Dinge kombinieren.
Beispiel: Lineare Gleichungssysteme dienen bei Steckbriefaufgaben zum Aufstellen von Funktionsgleichungen, bei Lagebeziehungen zwischen geometrischen Objekten zum Berechnen der Schnittobjekte und bei stochastischen Matrizen zum Berechnen von stationären Übergängen (das sind die gängigen Schulbeispiele).
In den Grundlagen-Vorlesungen lernt man die wichtigsten Werkzeuge kennen, die man braucht, damit man in den spezialisierteren Disziplinen handlungsfähig ist. Warum diese Werkzeuge genau aus diesen Materialien aufgebaut sind, ist dabei erstmal gar nicht so wichtig.
Natürlich werden die Hardliner jetzt sagen, dass man Aussagenlogik braucht und die richtigen Schreibweisen. Das stimmt auch (umgekehrt gibt es hier auf der Seite ja tatsächlich auch Leute, die behaupten, dass man Klammern nicht setzen bräuchte, wenn man stattdessen genügend Leerzeichen zum Strukturieren verwendet.... so etwas ist gar nicht gut....)
Aber wenn man anfängt, sich mit Mathematik zu beschäftigen, dann ist man eigentlich noch gar nicht wirklich so weit, dass man eine Axiomatische Aussagenlogik wirklich komplett verstehen kann. Dass das oft verlangt wird, stellt eine hohe Hürde dar. Und ich glaube, dass
1) eine richtig verständnisvolle "Anleitung" für die Aussagenlogik "for Dummies" noch nicht geschrieben wurde
2) diese zu schreiben nicht sonderlich interessant ist
3) kaum jemand motiviert wäre, diese komplett zu lesen - eben weil es viel Zeit verschlingt, ohne dass man wirklich ein Ziel erreicht.
Noch ein Bild dazu:
Ich möchte über einen kleinen Fluss. Warum sollte mir jemand erklären wollen, wie ich das Eisen gewinne, damit ich damit das Sägeblatt für die Säge herstellen kann, damit ich mit dieser das Holz für ein Boot bekomme etc, wenn ich auch gleich rüberschwimmen kann? Wenn ich noch nicht schwimmen kann, muss mir jemand helfen. Manche lernen es schneller, manche langsamer.
Wenn man sich damit beschäftigen möchte, warum und wie Schwimmen eigentlich wirklich in seinen anatomischen und physikalischen Grundlagen funktioniert, dann muss man schon richtig gut Schwimmen können
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christian_strack hat 31.08.2021 um 16:06 bearbeitet
Die Pfeile sind einfach sinnvoll, um mathematische Gedanken zu strukturieren. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn man zu sonst keiner Kommunikation mit Worten neigt - es gibt genug Leute, die pinnen einfach nur irgendwelche Gleichungen untereinander. Und dann wird es echt unverständlich, wenn die Struktur fehlt.
Heutzutage wird in der Oberstufe so viel Wert auf "kommunizieren" gelegt - ich vermute aus dem Grund, dass man den sprachlich orientierten Schülern mehr Chancen geben will. Dass das alleine aber auch nicht reicht, hatte ich an anderer Stelle hier schon mal geschrieben...
Also: Entweder sprachliche Struktur schaffen durch vernünftige, sinnstiftende Erläuterungen des Vorgehens, oder ordentliche mathematische Strukturierungen nutzen. Dann aber bitte richtig... ─ joergwausw 29.07.2021 um 01:10